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Berliner Splitter – letzte Etappe und Abschluss

St. Michael (Mitte) Begrenzt durch der Ruine des Südportals, ist die freie Fläche ein Ruinengarten – eine ruhige Oase zum Nachdenken in der Mitte der Stadt.

Nach der Morgenandacht in der Dorfkirche Hönow führte die letzte Etappe des diesjährigen Pilgerwegs ziemlich genau von der nordöstlichen Berliner Stadtgrenze zur heute kaum bemerkbaren Grenze zwischen Mitte und Kreuzberg – allerdings war diese die von August 1961 bis November 1989 durch Mauer und Todesstreifen befestigte Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Am späten Nachmittag des 15. Oktober erreichte die Pilgergruppe ihr Ziel, die katholische St. Michael (Mitte) Kirche. In vielfacher Hinsicht ist diese Kirche ein Denkmal der Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Im Krieg zerbombt, ist sie zum Teil eine Ruine und als solche auch ein Mahnmahl. In den 1950er Jahren wurde das Nordportal wieder aufgebaut und im ehemaligen Querschiff ein Kirchenraum geschaffen. Kurz bevor dieser im September 1961 eingeweiht werden sollte, stand die Kirche jedoch plötzlich für den größeren Kreuzberger Teil der Gemeinde unerreichbar hinter der Grenze, für die Gemeindemitglieder aus dem Osten direkt vor der Mauer. Vom ehemaligen Längsschiff stehen nur noch die Umfassungsmauern. Dorthinein wurde Mitte der 1980er Jahre ein Gemeindezentrum gebaut, welches etwa die Hälfte des Langhauses einnimmt. Begrenzt durch der Ruine des Südportals, ist die freie Fläche ein Ruinengarten – eine ruhige Oase zum Nachdenken in der Mitte der Stadt. Das Gemeindezentrum war nun unser Quartier für die letzte Nacht – für einige auch noch für eine zweite.

Für den Abend des 15. Oktober hatte der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg zu einem Gedankenaustausch zu den Forderungen und Erfahrungen des 8. Ökumenischen Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit in das Gemeindezentrum eingeladen

Für den Abend des 15. Oktober hatte der Ökumenische Rat Berlin-Brandenburg zu einem Gedankenaustausch zu den Forderungen und Erfahrungen des 8. Ökumenischen Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit in das Gemeindezentrum eingeladen. Obwohl die Zahl der Gäste überschaubar war, entwickelte sich unter der Moderation von Hans-Joachim Ditz, dem Geschäftsführer des Ökumenischen Rates, ein reger Gedankenaustausch, der auch für die Pilgerinnen und Pilger höchst interessant war – u.a. wurde deutlich, wie unterschiedlich polnische und deutsche Perspektiven sein können. Beklagen wir deutschen Pilger:innen oftmals unser relativ hohes Durchschnittsalter, hat gerade das eine besondere Wirkung in Polen entfaltet. Grzegorz Giemza, Direktor des Polnischen Ökumenischen Rates, berichtete von der Überraschung der Gemeinden, als bei ihnen eine Pilgergruppe aus „gestandenen“ Erwachsenen ankam. Das passte so gar nicht in das in den letzten Jahren von der Regierung propagierte Bild, dass Klimaschutz und Klimagerechtigkeit nur ein Thema von „jugendlichen Spinnern“ sei. So zeigte sich wieder einmal, dass Wirkungen gänzlich anders als „geplant“ auftreten und dass non-verbale Argumente manchmal überzeugender sein können als tiefgründige Diskussionen. Gegen 21 Uhr musste aber der Hinweis erfolgen, dass der Raum jetzt umgeräumt werden muss, damit die Luftmatratzen ausgerollt werden können. Auf den Fluren wurde danach noch einige Zeit weiter intensiv diskutiert.

Gespräch mit Frau Dr. Heike Henn im BMZ

Am Morgen des 16. Oktober war unweigerlich der letzte Tag des Klimapilgerwegs 2024 angebrochen. Am Vormittag stand zunächst der Besuch mit einer zehnköpfigen Delegation im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf dem Programm. Dort übergaben wir stellvertretend für die Bundesregierung die politischen Forderungen des 8. Ökumenischen Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit. An den Bundesminister Robert Habeck, die Staatsministerin im Bundeskanzleramt Sarah Ryglewski und die Staatssekretärin Jennifer Morgan im Auswärtigen Amt wurden sie zwischenzeitlich per Post zugestellt. Im BMZ ergab sich ein sehr interessanter und spannender Austausch mit Dr. Heike Henn, Leiterin der Unterabteilung 42 Klima, Energie, Umwelt. Wir betonten zunächst, dass wir den Besuch hier als Unterstützung sowohl für die vom BMZ verantwortete Politik als auch gerade in der aktuellen Haushaltsdiskussion mit den angedrohten Kürzungen verstanden wissen wollen. Grundsätzlich sind wir überzeugt, dass sich viele unserer Forderungen zur internationalen Klimafinanzierung mit dem Agieren des BMZ decken. Frau Dr. Henn dankte für unsere Anerkennung und bestätigte die Übereinstimmung in vielen Punkten, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass auch dort das BMZ i.a. nicht alleinentscheidend handeln kann, sondern z.B. auch das Finanzministerium involviert ist. Frau Dr. Henn nahm unsere Erwartung zur Kenntnis, eine abgestimmte Antwort der Bundesregierung auf unsere Forderungen zu erhalten und versicherte, dies im Haus weiter zu geben. Wie oben erwähnt, wurden die Forderungen inzwischen weiteren Verantwortlichen der Bundesregierung zugestellt – ebenfalls mit der Erwartung einer abgestimmten Antwort. Abschließend äußerte Frau Dr. Henn den Wunsch, als Privatperson an einem der zukünftigen Klimapilgerwege zumindest teilweise teilnehmen zu können. Wir würden uns natürlich sehr freuen, sie begrüßen zu können. 

Abschlussgottesdienst mit (von links): 
Dr. Giemza, Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen, Pröpstin Dr. Bammel als Vertreterin des Bischofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Erzbischof Dr. Koch, einem der Schirmherrn des 8. Ökumenischen Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit, Pfarrer Krzysztof Pikulski von der Polnisch-Katholischen Kirche.

Am Nachmittag folgte schließlich mit dem ökumenischen Abschlussgottesdienst in St. Michael der Schlusspunkt des Pilgerwegs. Zu unserer großen Freude konnte er nicht nur ökumenisch, sondern auch deutsch-polnisch gefeiert werden. Einerseits wirkte neben Erzbischof Dr. Koch, einem der Schirmherrn des 8. Ökumenischen Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit, Pröpstin Dr. Bammel als Vertreterin des Bischofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit. Andererseits waren aus Polen neben Dr. Giemza von der Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen auch Pfarrer Krzysztof Pikulski von der Polnisch-Katholischen Kirche (Vorstandsmitglied der Conference of European Churches) nach Berlin gekommen und nahmen an der Gestaltung des Gottesdienst teil. Trotz der etwas ungewöhlichen Zeit waren auch einige Gäste aus der großen Berliner ökumenischen Familie im Gottesdienst anwesend. Eingangs dankte Dr. Christian Seidel im Namen der Pilgerinnen und Pilger für die Unterstützung bei der Organisation des Klimapilgerwegs – namentlich ging der Dank an Grzegorz Giemza und Weronika Kluza vom Polnischen Ökumenischen Rat, an Astrid Hake vom Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit, an Beate Corbach vom Umweltbüro der Landeskirche (EKBO) und an Hans-Joachim Ditz vom Ordinariat des Erzbistums. Im weiteren Verlauf des Gottesdienstes wurden die Forderungen des Pilgerwegs stellvertretend für die beiden großen Kirchen in Deutschland an das Erzbistum und die evangelische Landeskirche übergeben. Schließlich verabschiedeten sich alle voneinander mit „unserem“ Lied: „Möge die Straße uns zusammenführen“. Nach fast vier Wochen gemeinsamen Pilgerwegs mit vielen Höhen und wenigen Tiefen konnten da nicht alle Augen trocken bleiben …

Dr. Christian Seidel dankt im Namen der Pilgerinnen und Pilger für die Unterstützung bei der Organisation des Klimapilgerwegs (von links): Astrid Hake vom Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit, Hans-Joachim Ditz vom Ordinariat des Erzbistums, Beate Corbach vom Umweltbüro der Landeskirche (EKBO), Grzegorz Giemza und Weronika Kluza vom Polnischen Ökumenischen Rat

Epilog

Natürlich konnten auch dann noch nicht alle nach Hause gehen oder es war noch Zeit bis zur Abfahrt des Zuges oder man blieb sowieso noch eine zweite Nacht in Berlin … Jedenfalls überwand eine Pilgergruppe die Hinterlandmauer und traf sich fast schon im Westen, aber doch noch im Grenzgebiet im „Cafe am Engelbecken“ zu einem letzten Umtrunk … nein, jetzt sind wir wieder einfach über die Straße gegangen – durften wir eine glückliche Zeit der Geschichte erleben!  

Christian Seidel