08.05.2015 – Bonn / Ein Interview mit der ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann

 „Keine Ersatz-Welt auf Lager“

Weltkirche_Karin_Kortmann

Im Dezember fällt in Paris die Entscheidung über ein neues globales Klimaabkommen. Für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) Grund genug, das Thema Klimaschutz ganz oben auf die Tagesordnung ihrer Vollversammlung zu setzen. Im Gespräch mit dem Internetportal Weltkirche verrät die ZdK-Vizepräsidentin Karin Kortmann, mit welcher Aktion die Kirchen in Deutschland ein starkes Zeichen für Klimagerechtigkeit setzen wollen.

Frage: Frau Kortmann, Sie sind gemeinsam mit anderen Personen Schirmherrin der Aktion „Geht doch! Ökumenischer Pilgerweg für Klimagerechtigkeit“ . Worum geht es bei dieser Initiative?
Kortmann: Die Auswirkungen des Klimawandels sind doch längst bei uns angekommen. Sie führen zu Überschwemmungen und Dürren, zu Überflutungen von Weideland, zu Ernteausfällen, zum Abschmelzen von Gletschern und zu großen Hungerkatastrophen und Trinkwassermangel. Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten um woanders wieder guten Boden bewirtschaften und in einem guten Klima leben zu können, zeigen die verheerenden Ausmaße. Leider haben die letzten Klimaverhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen noch keine zufriedenstellenden Ergebnisse im Sinne von gemeinsamen ambitionierten Zielen für ein neues Klimarahmenabkommen ergeben. Zahlen, Daten und Fakten um die Zerbrechlichkeit unserer Erde sind bekannt. Aber es scheint so, dass immer noch der eigene Wohlstand, die eigenen Wachstumszahlen höher bewertet werden, als der Schutz unserer gemeinsamen Lebensgrundlage.
Wir wollen als Christen mit dem Pilgerweg eine doppelte Botschaft setzen: „Geht doch“ ist der Aufruf an die Politiker und Politikerinnen die im November und Dezember verhandeln und beschließen. Sie haben das Wissen und die Instrumente in der Hand, das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Es ‚geht doch‘, wenn sich alle – Industrie- und Entwicklungsländer – auf einen gemeinsamen Zielkatalog einigen. Die alte Formel „Die einen verbrauchen, die anderen leiden an den Auswirkungen“ führt zu einem Kollaps, der weder ethisch, noch moralisch und schon gar nicht politisch verantwortbar ist. Dafür machen wir uns auf den Weg und laden unterwegs von Flensburg nach Paris Menschen ein, mit uns für eine nachhaltige Politik zu marschieren. „Geht doch mit.“
Die Bewahrung der Schöpfung ist ein urchristliches Anliegen, dass uns mit vielen Aktivisten in der Umwelt- und Friedensbewegung eint. Wenn schon bei den Klimaverhandlungen nicht immer nur rationale Argumente zählen, so zählt doch sicherlich das grenzüberschreitende Bündnis von Menschen, die sich ernsthafte Sorgen um den weiteren Bestand von Mensch und Natur machen. Und je mehr mitgehen, umso eindrucksvoller können wir unsere Sorgen vortragen.

Frage: Ziel des Pilgerwegs ist die UN-Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris. Wie wollen Sie dort den Mächtigen ins Gewissen reden?
Kortmann: Das tun wir ja nicht nur in Paris. Sondern seit vielen Jahren in dem stetigen Bemühen, auf offene Ohren bei den politischen Entscheidern zu treffen. Wir werden jeden einzelnen Tag des Pilgerwegs nutzen, mit Politikern, Klimafachleuten, Nachhaltigkeitsexperten ins Gespräch zu kommen. Wir wollen Beispiele aufsuchen, wo Klimaanreize in Kommunen durch Städte, Bürger oder Schüler geschaffen wurden, aber auch Orte besuchen, wie das Braunkohlerevier bei Köln, das große Wunden in die Böden und Herzen der Menschen reißt, die dort zwangsumgesiedelt wurden.
Wir werden auf unseren Pilgerweg auch die Bundesminister für Umwelt und Entwicklung Frau Barbara Hendricks und Herr Müller einladen und sie bitten, ein Stück des Weges mitzugehen. In Paris übergeben wir unsere Resolution mit vielen tausenden von Unterschriften. Am Sonntag vor der Abschlusssitzung der Delegierten versammeln sich alle Aktionsgruppen zu einem großen Demonstrationszug – und da sind wir mittendrin. Es soll damit ein starkes Plädoyer für eine Umkehr in der Klimapolitik gesetzt werden.

Frage: Am Pilgerweg nehmen Christen aus Deutschland, Europa und der Welt teil. Gleichzeitig sind die Ziele der einzelnen Länder in Sachen Klimaschutz teilweise sehr unterschiedlich. Wie kann es gelingen, dass die Staaten sich in Paris auf ambitionierte Klimaziele einigen?
Kortmann: Die Frage ist einfach zu beantworten und gleichzeitig schwer zu erreichen, wie die letzten Jahre gezeigt haben: Wir müssen endlich begreifen, dass der Ressourcenverbrauch nicht unendlich zu steigern ist und wir keine Ersatz-Welt auf Lager haben, wir die unendlichen Bevölkerungswachstumszahlen nur bewältigen können, wenn wir unseren Einsatz an Energie und unseren Flächenverbrauch reduzieren, unsere Ess- und Lebensgewohnheiten auf das Maß „verkraftbar & nachhaltig“ ausrichten und zu anderen Verkehrsmitteln und Produktionsbedingungen kommen. Deshalb sind unsere Adressaten nicht nur die Politiker, sondern auch die Wirtschaft und wir selbst. Denn als Verbraucher haben wir es in der Hand.

Frage: Wie kann ich mich konkret am Ökumenischen Pilgerweg beteiligen?
Kortmann: Ziehen Sie sich gutes Schuhwerk an, laden Sie Freunde und Bekannte ein und nehmen Sie sich ein paar Tage frei, ein Stück des Weges mit uns zu gehen. Sie entscheiden selbst, welche Strecke und wie viele Tage Sie mit dabei sein wollen. Die einzelnen Etappen werden von regionalen Koordinatoren vorbereitet und haben immer einen lokalen Bezug. Sie zeigen auf, was vor Ort möglich ist. Wir vereinen uns bei Gebet und Gesang. Geistliche Impulse und politische Zeichen wechseln sich ab. Ich würde mich freuen, wenn viele Kirchengemeinden, Vereine und Verbände, Schulklassen, Betriebe, Gewerkschaften mitgehen. Auf unserer Internetseite www.klimapilgern.de finden Sie alle wichtigen Daten und können sich anmelden.

Das Interview führte Lena Kretschmann.
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